Wenn ein Mensch arbeitet, kann der Tätige der Geist, die Seele oder der Körper sein. Gehen wir also einmal davon aus, wir seien selbst dieser arbeitende Mensch. Wer arbeitet, wenn ich arbeite? Bei einer sachlichen Betrachtung bemerke ich, dass ich bei jeglicher Form von Arbeit den physischen Leib benutze. Doch scheint es mir, dass ich ihn manchmal mehr und manchmal weniger benutze, weshalb man auch zwischen körperlicher und geistiger Arbeit unterscheidet. Doch wer bin ich, der sich so empfindet? Wer empfindet sich eingespannt zwischen Geist und Körper? Wer bin ich, wenn ich einerseits auf den Körper schaue, der Arbeiten verrichtet, und andererseits erlebe, wie eine geistige Welt mein Fühlen und Denken inspiriert? Ich, der Erlebende, bin die Empfindungsseele. Als Empfindungsseele bin ich zwar an einen einzelnen Körper gebunden, den ich als meinen Körper erleben muss, doch betrifft dieses Erleben nur einen ganz kleinen Teil der körperlichen Lebens. Ich erlebe meinen Körper eigentlich nur dann etwas bewusster, wenn seine Harmonie mit der Welt auf irgendeine Weise gestört wird: wenn Druck auf ihn ausgeübt wird, wenn er ermüdet, wenn er krank ist, wenn er überreizt wird, wenn er Giften ausgesetzt wird. Im harmonischen Normalzustand bemerke ich meinen Körper eigentlich kaum. Was in ihm vorgeht, ist mir nahezu vollständig unbekannt. Ich bemerke sein Vorhandensein dann nur durch seine Willensäußerungen. Mein Körper verlangt von mir, ihn bei gewissen Taten zu begleiten. Und weil ich an ihn gebunden bin, habe ich keine andere Wahl, als meine Aufmerksamkeit auf diese Taten zu richten, wenn mein Körper es von mir verlangt.
Damit mein Körper nicht sein harmonisches Verhältnis zur Welt verliere, sind gewisse Vorgänge in der Welt nötig, welche mit Hilfe des Körpers selbst ausgeführt werden müssen. Diese Vorgänge sollen Ernährung, Fortpflanzung und Schlafen ermöglichen. Die Bedürfnisse des Körpers sind damit bereits abgedeckt. Gäbe es nur Seele und Körper, dann wären alle Arbeiten darauf beschränkt, diese drei Notwendigkeiten abzusichern. Da ich als Seele jedoch auch direkte Impulse von der geistigen Welt empfange, kann mir dies nicht genügen. Um mich vollwertig als Seele empfinden zu können, kann ich meine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf meinen Körper richten. Ich brauche Freiräume, um den Geist erleben zu können. Ich füge darum den körperlichen Grundbedürfnissen mein eigenes Bedürfnis nach tagwacher Ruhezeit hinzu. Ich möchte während des Tages Freiraum haben, um meine Aufmerksamkeit auf mich selbst als seelisch-geistiges Wesen richten zu können. Um mir solchen Freiraum zu erobern, benutze ich die lenkende Macht, die mir über meinen Körper verliehen worden ist, dazu, um Arbeiten zu verrichten, welche die Welt so ordnen, dass sich solcher Freiraum, auch Freizeit genannt, ergeben könne. Ich füge den naturgegebenen Arbeiten also neue Arbeiten hinzu, welche ohne meine seelisch-geistige Gegenwart nicht nötig wären. Man kann diese Art von Betätigungen als kulturelles und zivilisatorisches Arbeiten zusammenfassen. Ich empfinde die Notwendigkeit solcher kultureller und zivilisatorischer Arbeiten ebenso als eine Notwendigkeit wie jene Arbeiten, die mir von der Natur auferlegt werden. Der Drang kommt nur von der entgegengesetzten Seite an mich als Seele heran. In beiden Fällen ist es der Geist, der mich lenkt. Am Körper erlebe ich den manifesten Geist, der eine natürliche Form angenommen hat. Aber ich erlebe den Geist auch direkt, ohne Umweg über den Körper, weil ich als Seele selbst aus ihm geboren bin. Als Mensch kann ich niemals jene Harmonie erreichen, welche ich in der restlichen Natur beobachte, weil ich selbst als Seele etwas in die Natur hineinbringe, was von der Natur mehr verlangt, als sie geben kann. Ich bin selbst der Zerstörer des natürlichen Gleichgewichtes. Ermüdung, Krankheit und Tod sind die Folgen meines naturwidrigen Willens, der mir vom noch nicht manifesten Geist gegeben wird. Ich werde als Seele, durch meine Anbindung an einen einzelnen natürlichen Körper, einen menschlichen Gattungsleib, zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass der Geist mich als Einzelwesen will. Ich erwache an dem natürliche Körper zum Individuum. Doch kann mir dieser Körper nicht genügen, um zu sein, was ich sein will. Ich kann mein Ich nicht im Körper finden. Der Wille zu einem anderen Ich-Sein strömt mir vom Geist entgegen, jedoch in einer Weise, die mich nicht zwingt. Während der Körper mich als Seele zwingt, dieser bestimmte Einzelmensch zu sein, kommt mir vom Geist die Botschaft entgegen, ich dürfe selbst frei mein geistiges Wesen erschaffen. Doch wer könnte jemals der Schöpfer sein von etwas, das es noch nicht gibt? Wie kann ich mich selbst als Ich schöpfen , wenn es mich noch gar nicht als geistiges Wesen gibt? Wo ist die Basis für diese Schöpfung? Meine Basis ist mein Leben als Erdenmensch. Auf dieser Basis kann ich Neues schöpfen. Doch stünde ich vollkommen orientierungslos in dieser Welt, wenn ich kein Vorbild hätte! Wie soll denn ein solches voll ausgebildetes, neues menschliche Ich aussehen? Wie würde sich ein solches Ich in dieser natürlichen Welt manifestieren? Während ich mir diese Fragen stelle, entwickelt sich ein neuer Teil meiner Seele: die Gemüts- und Verstandesseele. Ich beginne als Seele an einer geistigen Arbeit teilzuhaben, die man Denken nennt. Ich denke noch nicht selbst, ab ich nehme am Denken teil. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Inhalt des Denkens, ohne mir noch bewusst zu sein, was ich tue, wenn ich mitdenke. Das Denken selbst bleibt mir ein Geheimnis, aber der Inhalt des Denkens wird mir zum Teil meines Wesens. Eben durch diese Erweiterung meines Seelenlebens wird es möglich, dass der Geist sich auch in meinem Denken offenbare. Und zu meiner frohen Überraschung darf ich hierbei irgendwann erfahren, dass bereits ein Mensch das von mir angestrebte Ziel erreicht habe! In dem ich die Anthroposophie studiere bemerke ich: hier spricht ein voll ausgereiftes, freies menschliches Ich zu mir. Das bisher unbekannte Ziel hat also eine Form angenommen. Ich kann mich an diesem Ziel orientieren und trotzdem frei sein. Ich orientiere mich, in dem ich die Anthroposophie in mein Verstandesleben aufnehme. Und ich bin frei, indem es mir erlaubt wird, meine Seele noch einmal zu erweitern. Das voll ausgebildete Ich sagt zu mir: du darfst Bewusstseinsseele werden, wenn du lernst, selbst zu denken! Jene Arbeit also, die bisher von der geistigen Welt an mich herankam, die soll ich jetzt selbst tun, und dadurch erst zu einem geistigen Selbst werden. Wenn ich arbeite, kann mich also in jedem Moment fragen: Wer ist der Arbeiter? Ist es der natürliche Körper? Ist es die Empfindungsseele? Ist es die Verstandesseele? Ist es der Geist? Oder bin ich es gar selbst, als Bewusstseinsseele? Im heutigen Normalzustand bin der Arbeiter nie ich selbst. Der Körper ist immer der Arbeitende, es verändert sich nur das Verhältnis zwischen Seele und Körper. Man kann die verschiedenen Arbeitsformen daran unterscheiden, wie stark die Seele ihre Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit des Körpers richten muss, während dieser arbeitet. Bei Tätigkeiten, die sich regelmäßig wiederholen, bei sogenannter Routine, kann die Seele unaufmerksamer sein als bei Tätigkeiten, bei denen sich jedesmal neue Bedingungen ergeben. Je mehr die Seele mitfühlen und mitdenken muss, also desto schwieriger gilt eine Arbeit. Ob eine Arbeit als anstrengend gilt, hat mit ihrer Schwierigkeit nichts direkt zu tun. Es kann eine Arbeit sehr einfach sein und trotzdem als sehr anstrengend gelten, und es kann eine Arbeit sehr kompliziert sein, und trotzdem würde niemand darauf kommen, sich über die nötige Anstrengung zu beklagen. Bei der Beurteilung verschiedener Arbeiten kommt es ganz stark darauf an, ob ein Mensch vor allem Empfindungsseele ist oder ob er bereits die Verstandesseele entwickelt hat. Bei Menschen, die vorwiegend Empfindungsseele sind, die also nicht gerne Nachdenken, gilt eine Arbeit in 2 Fällen als anstrengend: erstens wenn der Körper sich so sehr ermüdet, dass die Empfindungsseele gezwungen wird, ihre Aufmerksamkeit stärker auf der Körper zu richten als im Ruhezustand; zweitens, wenn die Tätigkeit es verlangt, die Verstandesseele zu aktivieren. Gegen letzteres wehrt man sich mit allen Mitteln. Bei Menschen, die bereits eine hoch entwickelte Verstandesseele sind, bei sogenannten Intellektuellen, ändert sich das Urteil fundamental. Betätigungen, bei denen die Verstandesseele aktiviert wird, gelten als angenehm, selbst wenn der Körper (in diesem Falle das Gehirn) dabei ermüdet wird. Die Ermüdung nimmt man gerne hin, weil man sich am Nachdenken erfreut. Andererseits sind körperliche Arbeiten, welche die Aufmerksamkeit der Seele in einer Weise verlangen, dass die Seele über nichts anderes nachdenken kann, während gearbeitet wird, sehr unbeliebt und man empfindet sie als nahezu beleidigend anstrengend. Man überlässt solche Arbeiten darum möglichst immer jenen, die sowieso nicht gerne intellektuell Nachdenken. Hingegen sind routinehafte Arbeiten, bei denen man nicht über die Arbeit selbst nachdenken muss, bei Intellektuellen unter Umständen sehr beliebt, weil sie während der Arbeit mit ihren Gedanken ganz woanders schweben können und sich vom Erdenleben losgelöst fühlen. Es sei hier besonders zu bedenken, dass heutzutage gewisse Formen mechanischen Nachdenkens auch ohne sonderliche Beanspruchung der Verstandesseele praktiziert werden kann. Der heutige Mensch kann wie ein Automat denken. Viele Arbeiten, bei der scheinbar Denken involviert ist, geschehen also ganz automatisch, wie rein körperliche Funktionen, ohne dass sich die Verstandesseele anstrengen müsse. Diese Form des Arbeitens ist in der heutigen Zeit die meistverbreitete. Sie ist nicht nur in der Bürokratie zu Hause, sondern zieht sich weit hinein in Bildung und Kultur. Es darf einen nicht wundern, wenn diese Form von Gehirn-Arbeit genauso von Maschinen ersetzt werden kann wie bereits in großem Maße die Muskel-Arbeit. Was nicht durch Maschinen ersetzt werden kann, ist die seelische Aufmerksamkeit, wodurch das entsteht, was man Bewusstsein nennt. Unbewusste Intelligenzarbeit kann von Maschinen ersetzt werden, weil es hierbei nur auf das Resultat der Arbeit ankommt. Das Resultat selbst ist aber vollkommen uninteressant, wenn kein bewusstes Lebewesen gegenwärtig ist. Allein die Gegenwärtigkeit bewusster Lebewesen gibt dieser Welt Sinn. Und der Sinn rührt letztendlich von nichts anderem, als dass ein solches bewusstes Lebewesen soweit gelangen könne, selbst zu denken, und somit beginne, geistig wirklich zu werden. Jeglicher anderer Gebrauch der Schöpfung ist zwar möglich, aber sinnlos.
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