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fundamentale anthroposophie

Die tempelflüchtigen

11/12/2022

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Anthroposophie und Gemeinschaftsleben
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Man sollte sich erwarten dürfen, dass ein allumfassendes Wissen jene Menschen, die sich mit diesem Wissen beschäftigen, auch umfassend vereinen würde. Doch ist dies bei der Anthroposophie nicht der Fall, solange ihre Schüler sich dieser alles vereinenden Umfassendheit nicht genügend bewusst werden. Es ist sogar bei angehenden Schülern eine gesteigerte Streitbarkeit zu beobachten. Anthroposophie ist also keinesfalls eine Kraft in der Welt, welche automatisch die Menschen zusammenbringt. 

Mittels des Studiums verbindet sich der Schüler der Anthroposophie mit einer Weisheit, die allumfassend ist. Von der Art, wie diese Verbindung sich gestaltet, hängt sein weiteres Schicksal als soziales Wesen ab. Zunächst tritt die Anthroposophie gleich jedem anderen Wissen in das Leben eines Menschen, als eine Lehre mit einem Wahrheitsanspruch. Dass es sich um ein allumfassendes Wissen handelt, wird es nur von jenen sofort erkannt, welche zuvor an der Beschränktheit aller anderen Wissensformen genügend gelitten haben. Wer der Anthroposophie vorher begegnet, der kann glauben, es hier nur mit einer, neben vielen, Weisheiten zu tun zu haben. Er wird dann versuchen, die Anthroposophie in sein bisheriges Weltbild einzuordnen. Aber nur solange sich ihm das Wesen der Anthroposophie ganz verschließt, kann ihm das auch gelingen. Häufiger ist, dass er das wahre Wesen der Anthroposophie zumindest instinktiv bemerkt, und sie, als Reaktion darauf, vehement von sich weist. Als Normalzustand wäre also eine innerliche Abwehr gegen die Anthroposophie anzusehen. Sich anfänglich gegen die Anthroposophie zu wehren, ist ein Zeichen von Gesundheit, denn es wird hier der natürliche Seinszustand des Menschen in Frage gestellt. Ein seelisch-geistig aufmerksamer Mensch bemerkt beim ersten Kontakt zur Anthroposophie sofort: die Anthroposophie lässt mich nicht so sein, wie ich jetzt bin. Darum kann nur ein seelisch-geistig sehr unaufmerksamer Mensch frohgemut die Anthroposophie in sein Leben integrieren, ohne zu bemerken, welchen radikalen Verwandlungskräften, die sein gesamtes Leben in Frage stellen, er sich hierbei potenziell aussetzt. Solange er jedoch in die Anthroposophie nicht tief genug gedanklich eintaucht, bleibt er vor jeglicher Verwandlung bewahrt. Es stellt sich dann nur noch die Frage, welchen Sinn die Anthroposophie jenseits ihres gründlichen gedanklichen Erfasstwerdens haben könne. Diese Frage muss auf die Meisten angewendet werden, die sich in der Welt als anthroposophisch-gebildete Menschen manifestieren. Man gibt sich da gerne mit Teil-Informationen zufrieden, welche man als Kuriositäten in sein Leben integriert. Und man freut sich, wenn diese Teil-Informationen in praktischen Bereichen zu positiven Resultaten führen, wobei die Positivität weiterhin vom Gesichtspunkt des gewöhnlichen Lebens aus beurteilt wird. Man meint also, die Anthroposophie könne im täglichen Leben nützlich sein. Die Erfolge sind auch beobachtbar, man unterliegt hier keinem Irrtum. Der Irrtum ist ganz woanders zu suchen. Nicht weil man die Anthroposophie in sein eigenes Leben integriert hat, verbessert sich dieses Leben, sondern weil das eigene Leben allmählich in die Anthroposophie integriert wird! Die Beschäftigung mit der Anthroposophie erlaubt es den lebendigen Ideen, die man in sich aufnimmt, das Leben jedes Einzelmenschen sinnvoll in die allumfassende Weisheit einzuordnen. Die allumfassende Weisheit beginnt somit, sich im Einzelmenschen zu individualisieren. Geschieht dieser Vorgang aber nicht vollbewusst, sondern mehr als unterbewusster Einfluss, dann beginnt der Mensch viel zu früh, sich selbst mit der allumfassenden Weisheit persönlich zu identifizieren. Statt diese Identifikation als höchstes Ideal anzusehen, genießt man das Gefühl, sich selbst bereits jetzt als allumfassendes Wesen ahnen zu können. Ein solches Gefühl ist allerdings möglich, sobald man sich der Anthroposophie gefühlsmäßig geöffnet hat. 
In einer ersten Phase wird demnach die Anthroposophie eher wie etwas Fremdes aufgenommen und genutzt, in einer zweiten Phase beginnt man sie zu verinnerlichen, sich mit ihr zu vereinen. Obwohl die zweite Phase ein Fortschritt ist, liegen hier neue Gefahren verborgen, solange der Mensch sich noch nicht aus dem gewöhnlichen Seelenleben befreit hat. Im gewöhnlichen Seelenleben, das an den natürlichen Leib gebunden ist, entsteht nämlich der Eindruck, das gewöhnliche Ich werde allumfassend. Der Mensch kommt zu einem Lebensgefühl, das ihm vorgaukelt, er selbst als Person sei allumfassend. Die anderen Menschen kommen ihm vor wie Bestandteile seiner eigenen Welt. Man stelle sich nun vor, 2 solche Menschen treffen aufeinander. Jeder erhebt den, meist unausgesprochenen, Anspruch, der Andere sei Bestandteil der eigenen Wesenheit. Man darf sich darum nicht wundern, dass, gerade bei ernsthaften Anthroposophen, in dieser Phase die Streitbarkeit stark ansteigt. 
Erst wenn die Illusion des physischen Sinneslebens überwunden worden ist, kann dieser leidig-lustige Zustand tatsächlich überwunden werden. Allerdings kann solches erst in einer späteren Entwicklungsphase und auch nur individuell erreicht werden. In jener 3. Phase bildet sich das soziale Leben dann auf einer ganz anderen Ebene, als Liebe von Ich zu Ich. 

Im gewöhnlichen sozialen Leben kann man darum nur 2 Menschensorten vorfinden, die sich mit Anthroposophie beschäftigen: 
  1. Jene, die noch gar nicht wirklich bemerkt haben, mit was sie es zu tun haben, und welche sich darum nicht sonderlich von anderen Idealisten unterscheiden. 
  2. Jene, die schon tiefer in den Sinn der Anthroposophie eingedrungen sind, aber noch nicht den Punkt der Befreiung vom physischen Sinnesleben erreicht haben. 

Gerade aus dem gewöhnlichen Gesellschaftsleben geht vor allem jene Sorte hervor, die sofort mit Phase 2 beginnt. Hingegen kann es die 1. Sorte fast nur unter jenen geben, die innerhalb von anthroposophischen Institutionen aufgewachsen sind. Eine Ausnahme bilden besonders oberflächliche Menschen, die schlechthin alles in ihr Leben integrieren können, das sich irgendwie alternativ präsentiert. 

Beim sozialen Schaffen kann man eigentlich nur mit der 1. Sorte rechnen. Die 2. Sorte ist fundamental asozial.

Die 1. Sorte von Menschen ist eine ganz ungewöhnliche Truppe von Kulturmenschen. Sie tun das Unmögliche: sie integrieren eine allumfassende Weisheit in ihre eigene, begrenzte Vorstellungswelt. In anderen kulturellen Umfeldern ist das möglich, weil man es nur mit Weisheitssplittern und kompletten Irrtümern zu tun hat. Der einzelne Mensch ist durchaus das Umfassendere in Bezug auf die gewöhnliche Kultur, und er tut gut daran, sich auch so zu verhalten. Jedoch ist Anthroposophie Initiationswissenschaft, welche das Ganze lehrt. Hier ändert sich das Verhältnis! Der Einzelmensch ist zunächst nur ein Teil des Ganzen, er ist Geschöpf, und er muss sich dementsprechend verhalten. Wer größer als das Ganze sein zu will, der muss scheitern - jedoch nur, wenn er es bewusst tut. Unbewusst getan, macht er sich selbst zu einem Kuriosum: man betrachtet es und wundert sich, wie es das geben kann. Die Existenz solcher Kuriositäten muss Rudolf Steiner aber ein großes Anliegen gewesen sein, weil er sonst niemals die Geheimwissenschaft veröffentlichen hätte dürfen. In den alten Einweihungsstätten wurde eine solche Existenzform noch mit extrem strengen Mitteln vermieden. Wenn ein Einzuweihender, der bereits gewisse Einblicke haben durfte, die Prüfung nicht bestand, wurde er nie mehr aus dem Tempel hinausgelassen! Die Waldorfschulen und andere anthroposophische Institutionen erzeugen jetzt hingegen massenweise solche Menschen. Man könnte sie “Tempelflüchtlinge” nennen. 

In den Seelen der Tempelflüchtlingen tut sich ein weiter Graben auf. Dieser Graben ruft nach einer nie da gewesenen Ausdehnung des Seelischen. Die Seele soll lernen, alle Bereiche des Lebens zu umfassen. Der umfassende Geist will umfassende Einzelseelen schaffen. 

Die Welt der Tempelflüchtigen

Jeder Mensch, der unvorbereitet auf die Anthroposophie stößt, ist ein Tempelflüchtiger. Wie auch in alten Zeiten, kann die Vorbereitung nur darin bestehen, sich aus dem Lebenskampf selbst die nötigen Fragen erarbeitet zu haben, welche in der Anthroposophie ihre Antworten finden. Gerät man hingegen an die Antworten, bevor man an den Fragen genügend gelitten hat, ist man unvorbereitet. Man kann die Antworten dann entweder ganz ablehnen, oder man kann versuchen, sie dekorativ für das eigene Leben zu benutzen. Welchen Weg man geht, liegt sowohl am Charakter als auch am Schicksalsweg. Ein empfindsamer Charakter, der sich nach dem Schönen und Guten sehnt, kann die ungefragt erhaltenen Antworten eher annehmen als ein aggressiver Egoist. Ebenso ist ausschlaggebend, wer der Überbringer der Antworten ist. Hat man die anthroposophische Weisheiten in jungen Jahren in einem liebevollen Umfeld aufnehmen dürfen, dann kann es gut sein, dass man man sie nur deshalb weiterhin mit sich trägt, weil sie einen an eine angenehme Jugendzeit erinnern. In jedem Fall bleibt man aber ein Mensch, der vor den höheren Wahrheiten flüchtet, weil man ihre Notwendigkeiten nicht wirklich einsehen kann. Man ist ein Tempelflüchtiger, der sein Heil in der naturgegebenen Welt sucht. Um sich in der naturgegebenen Welt zurecht zu finden ist jedoch das Tempelwissen nur dann nützlich, wenn man es verinnerlicht hat. Als reiner Dekor ist es ein Zeichen von Schwäche, wie alles zivilisatorische und kulturelle Beiwerk des menschlichen Lebens. Da nun aber tatsächlich sehr wenig vom Mensch übrig bleiben würde, wenn man alles kulturelle Beiwerk aus dem täglichen Leben verbannen wollte, ist es ganz sinnlos über den Mensch als reines Naturwesen nachzusinnen. Der Mensch ist erst Mensch durch eben dieses Kulturleben, in welchem er seine naturgegebene Kreativität zunächst allein ausleben kann. Wollte man solches verhindern, dann wäre das, als würde man sich einen direkten Evolutionssprung vom Tier zum Gott erwarten. Die Menschheitsphase besteht eben gerade darin, dass der Mensch seine göttliche Kreativität nicht in der Natur selbst auslebt, sondern dass er sich ein eigenes Reich neben die Natur hinzu schafft. Die Anthroposophie soll ihm dabei helfen, dass seine eigene Kreativität nicht in einem Widerspruch zur jener Kreativität stehe, welche ihn selbst und die gesamte Natur geschaffen hat. Wäre er jedoch kein Tempelflüchtiger, dann könnte seine eigene Kreativität nichts anderes sein als eine direkte Fortsetzung der natürlichen Kreativität. Gerade weil er ein Tempelflüchtiger ist, kann er etwas Neues schaffen - das allerdings nie etwas anderes als ein Irrtum sein kann. Der Irrtum besteht in der Missachtung jener geistigen Welt, die ihn selbst erschaffen hat. Der irrende Mensch schafft darum Welten, die ihn selbst als Existenzform ausschließen. Würde man es ihm hierbei erlauben, sich aller Naturkräfte zu bedienen, dann würde er sich selbst ent-schaffen! Seine Kreativität muss sich darum auf einen Bereich beschränken, der keine Wirklichkeit hat. Innerhalb der großen Illusion schafft der Mensch sich seine eigene Welt. Die Anthroposophie, in ihrem wahren Wesen verstanden, bereitet diesem Wirken innerhalb des Irrtums ein Ende. Sie soll den Mensch zu einem bewussten Wirken in Harmonie mit jener geistigen Welt bewegen, welche auch ihn selbst erschaffen hat. Das bedeutet aber nichts weniger als dass die Anthroposophie von jenem Leben, das sich innerhalb der Illusion abspielt, verlangt zu sterben. Die Anthroposophie ist darum, wenn wirklich  verstanden, kein kulturelles Element, mit dem man das gewöhnliche Leben weiterführen kann. Es kann im allgemeinen Kulturleben darum nur eine unverstandene Anthroposophie auftauchen. Man kann sich darüber wundern, wie so etwas möglich sein könne, da sich die Anthroposophie doch gerade ganz besonders an die Verstandeskräfte wendet. Wie kann man eine Wissenschaft, die den deutlichen Anspruch erhebt, verstanden zu werden, frohgemut benutzen, ohne sie zu verstehen? Im Grunde ist nichts in der Welt so ungeeignet als Kulturträger wie die Anthroposophie. Die Lage ist ganz ähnlich wie beim institutionellen Christentum: sobald man tatsächlich Christ geworden ist, muss man aus der Kirche austreten. Nur verlangt das institutionelle Christentum kein intellektuelles Verständnis, sondern ein rein gefühlsmäßiges Erfassen. Es lässt sich also viel einfacher in unser intellektuell geprägtes restliches Leben einfügen. Zumindest, solange dieses intellektuelle Leben die Religion nicht ausschließt. Bei der Anthroposophie kann aber die Trennung von Denken und Fühlen nicht helfen. Anthroposophie soll gedacht werden. Trotzdem gelingt es den Menschen, die Anthroposophie zu denken ohne zu denken. Von Gedanken zu sprechen, die man nicht verstanden hat, ist für die meisten Menschen kein Problem, sie tun das auch in allen anderen Bereichen. Diese Fähigkeit hat ihren Ursprung in der Gewöhnung an den Irrtumszustand. Man ist gewöhnt zu irren, es mindert nicht das Lebensgefühl. Die Anthroposophie kann sich darum, obwohl sie die Wahrheit ist, in den Irrtum einreihen. Aber sie ist sehr unbequem und darum als Kulturmittel nur sehr eingeschränkt einsetzbar. Es besteht in jedem Moment das Risiko, dass jemand sie versteht. Sobald sie jedoch annähernd verstanden wird, gerät der Mensch in Phase 2, wo er zunächst sozial unbrauchbar wird. In der praktischen Anwendung für das Gemeinschaftsleben kann die Anthroposophie darum nur aus dem Hintergrund heraus wirken.
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