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Zensur im mittelalter und heute

12/1/2022

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Wir leben in einer Zeit, in der die Atheisten sich so stark in die Enge gedrängt fühlen, dass sie nur noch in der Zensur einen Ausweg sehen. Da sie sowohl über die Herrschaft über das öffentliche Bildungssystem als auch über die Medien haben, geschieht die Zensur inzwischen schamlos. 


Schaut man in die Geschichte zurück, wird man sich daran erinnern, dass diese Rollenverteilung auch mal genau andersherum gewesen war. Die Kirchengläubigen fühlten sich in der Renaissance ebenso gezwungen, zum harten Mittel der Zensur zu greifen, da sie keine andere Möglichkeit sahen, um sich gegen das bedrohende Aufkommen der naturwissenschaftlichen Ideen zu wehren. 


Was ist es aber, dass jemanden dazu zwingt, die Redefreiheit des Anderen zu unterdrücken?


Letztendlich geht es immer darum, dass man fürchtet, die Kraft der eigenen Argumente sei nicht stark genug, um sich in der öffentlichen Meinung zu bewahren: man verbietet dem Anderen dann das Wort, wenn man sich selbst in einer Diskussion auf der verlierenden Seite einordnet.


Wie passiert einem das? Wie kommt man auf die Verliererseite, obwohl man vorher auf der Gewinnerseite gewesen war, oder umgekehrt?


Von der Fähigkeit, überzeugende Sätze zu formulieren, - die beide Seiten gleichmäßig beherrschen -, mal abgesehen… was letztendlich den Gewinner einer Diskussion ausmacht, ist die Beweiskraft, die seine Worte begleitet; oder eben die Macht, die Diskussion ganz abzubrechen. Dabei ist aber alles entscheidend, was nun allgemein als Beweis anerkannt wird. 


Es ist allgemein bekannt, warum die Kirche sich einst nur mit Gewalt gegen die neu aufkommende Naturwissenschaft verteidigen konnte: die Naturwissenschaft tätigte ihren Angriff auf das damals bestehende Machtsystem mit einer ganz neuen Form von Beweisen, die zuvor unbekannt waren: der physische Sinneseindruck, dem man zuvor keine sonderlich hohe wissenschaftliche Wertigkeit beigemessen hatte, wurde im Rahmen des “Experimentes” zum absoluten Richter über die Wahrhaftigkeit einer Aussage erhoben. Selbstverständlich nahmen auch schon früher die Menschen die Welt mit ihren physischen Sinnen war, nur hielt man nicht sehr viel von der Beweiskraft der Sinneseindrücke, weil man ihnen nur einen Scheinwert anerkannte. Traditionelle Überlieferung und logisches Denken galten als Beweise viel mehr als der reine Sinneseindruck. 
Wie konnte es also der Kirche damals passieren, dass ihre über Jahrhunderte währende Dominanz im Feld der Beweisführung durch die Naturwissenschaft in Frage gestellt werden konnte?


Das Problem der Kirche, und der mit ihr verbundenen traditionellen Wissenschaft, lag hierin begründet, dass ein großer Teil ihrer Beweisführungen  auf Behauptungen fusste, die man in den Bereich des Unsichtbaren einordnen muss. Das galt sowohl für den Großteil der Theologie, als auch für eine Wissenschaft, die sich nach mehr als 1500 Jahren immer noch auf alte Autoritäten wie Aristoteles berief. Das einzig Sichtbare an beiden Beweisen waren die Bücher, sowie das soziale Umfeld, in denen sich das gesamte Kulturleben abspielte. 


Man musste bei der Beweisführung also immer wieder darauf pochen: Wenn Menschen diese Bücher schon so lange lesen, dann müssen sie wahr sein! Und wenn es all diese Kirchen und Universitäten gibt, mit all ihren ehrenwerten menschlichen Vertretern, dann muss die Tradition, auf die sich all dies stützt, ebenso wahr sein!


Mehr war an Beweiskraft tatsächlich nicht gegeben - denn die Fähigkeit, alles schön logisch zu verbinden, fand man ja auf beiden Seiten.


Was hatten die Theoretiker der Naturwissenschaft also getan, um einer so gewöhnlichen Erfahrung, wie jener des physischen Sinneseindrucks, zu jener siegreichen Beweiskraft zu verhelfen?


Der Irrtum - oder Trick, egal wie man es sehen möchte -, der aufsteigenden Naturwissenschaft lag darin verborgen, dass man - ohne jegliche wissenschaftliche Basis - behauptete, der Mensch sei in seiner Konstitution schon immer so gewesen wie jetzt. Je mehr nun andere Arten von Sinneserfahrungen, als es die rein physischen sind, der Menschheit verloren gingen, desto leichter konnte man sie davon überzeugen. 


Um jedoch die sofortige Strafe und Zensur von Seiten der übermächtige Kirche zu vermeiden, hielt man noch viele Jahrhunderte lang eine diplomatische Sonderposition für die biblischen Überlieferungen und für die Traditionen der Kirchenväter aufrecht. Um sich selbst einen relativ sicheren Freiraum zu schaffen, erfand man eine Wissensgrenze zwischen Wissenschaft und Glauben. Allerdings akzeptierte die Kirche selbst diese Trennlinie erst, nachdem sie erfolglos alles getan hat, um das Aufkommen des naturwissenschaftlichen Denkens vollständig zu unterdrücken.


Das Problem, dass die Kirche in allen damaligen Diskussionen hatte, insofern sie solche zuließ, war folgendes: Ihre Argumente stützen sich in allen Bereichen auf übersinnliche Erfahrungen, zu denen jetzt niemand mehr fähig war. Sie konnten infolgedessen nur darauf bestehen, das Überlieferte immer treu bewahrt zu haben, und nie etwas an der Originalwahrheit verändert zu haben - zumindest ohne sich dabei auf die höchstmöglichen Autoritäten gestützt zu haben, welche selbst von Gott geleitet wurden und werden.


Die offensichtliche Schwäche von Argumenten, die sich vielfach nur auf überlieferte, uralte, übersinnliche Erfahrungen stützten, nutzen ihre Gegner doppelt aus: 
erstens zweifelte man immer mehr daran, dass solche vermeintlich übersinnlichen Erfahrungen überhaupt jemals irgendeinen Wahrheitswert gehabt hätten…
zweitens wies man darauf hin, wie schwer es doch sei, über Jahrhunderte hinweg, inmitten der Wirrnisse von Übersetzungen und Fehlern beim Abschreiben, sowie unter dem Einfluss allerlei menschlicher Egoismen, etwas tatsächlich treu zu bewahren - zumal dann, wenn dessen Wahrheit schon seit langen niemand mehr selbst nachprüfen kann.


Gleichzeitig verwiesen die damaligen Gegner der konservativen Kultur dabei auf den Vorteil der physischen Sinneseindrücke, die ja allen Menschen gleich zugänglich seien, und die man mit Hilfe neuer Technologien und der naturwissenschaftlichen Methode des Experiments zu ungeahnt wertvollen Erkenntnisinstrumenten ausbauen könne. 


Es dauert allerdings noch einige Jahrhunderte, bis sich die Naturwissenschaft auch an die höchste Autorität der Kirche, Gott selbst, hintraute. Aber letztendlich war auch hier das Argument dasselbe wie in jeder anderen Diskussion zuvor: Wenn keiner diesen Gott sehen kann, dann gibt es ihn nicht! 


Es ist nun dieses Argument nur scheinbar stark - in Wahrheit ist es sehr, sehr schwach! Aber es genügte trotzdem, um die traditionelle Kirche in den Köpfen der allermeisten, sogenannten hoch-gebildeten Menschen zu besiegen. 


Der einzige Grund, warum es die Kirche, in ihrer alten Form, überhaupt heute noch als Organisation gibt, ist der Umstand, dass man außerhalb Europas immer noch auf große Mengen noch nicht ganz intellektuell-erkalteter Menschen zurückgreifen kann, welche die Glaubensinhalte mit ihrem Gefühlsleben erfassen wollen und können. Hinzu kommt da, auch innerhalb Europas, die noch relativ große Menge jener, welche sich weiterhin mit der alten Idee einer Wissensgrenze zufrieden geben: vor allem deshalb, weil sie allgemein sowieso so nicht gerne tiefgründig nachdenken. Es handelt sich hierbei also um all jene, die Glauben und Wissenschaft voneinander trennen können, ohne damit seelische Probleme zu haben. 


Diese zweite Gruppe wird allerdings rapide kleiner! - jedoch nur in ganz selten Fällen, weil man sich doch zu einem ernsthafteren Denken durchgerungen hat; meistens ist es nur so, dass die ins Jenseits des Verstandes verbannte Religion in einem Umfeld, in dem nur noch materielle Werte gelten dürfen, einfach immer mehr zur Bedeutungslosigkeit erblasst. 


Dominant ist heutzutage in der europäischen Gesellschaft also jene Denkweise, welche nur das als wirklich anerkennen will, was man mit den physischen Sinnen erfassen kann. Ein Außerirdischer, der hiervon liest, könnte sich also jetzt vorstellen, dass deshalb die heutige Menschheit ihre Beobachtungsgabe mittels der physischen Sinne in ganz ungeheuer hohem Maße ausgebildet haben müsse! Wer hingegen hier auf der Erde ansässig ist, weiß, dass dies keinesfalls der Fall ist: man hat hingegen den Großteil seiner Sinneswahrnehmungen einem Gerät anvertraut, das Fernseher heisst. Und man hat das eigene, vernunftbasierte, Nachdenken über das Wahrgenommene, sogar jenseits des Fernsehers, jenen überlassen, die man Experten nennt. Statt es also mit einer Menschheit zu tun zu haben, die Naturwissenschaftlichkeit zu ihrem persönlichen Lebensinhalt gemacht hat, sieht man sich umgeben von den ganz selben Verhaltensweisen, die schon im Mittelalter vorherrschten: man ist autoritätsgläubig, denkmüde und als Folge dessen: ängstlich.


Die Herrschaftsklasse, welche sich innerhalb dieser modernen Verhältnisse entwickelt hat, ist jedoch nur im mittleren Bereich neu. Ganz oben sitzen dieselben wir zuvor. Doch müssen die Argumentsreihen jetzt anders geführt werden als früher: was früher der Gott im Himmel war, ist jetzt die Wissenschaft - allerdings als Dogma. Die eigentlich Dynamik der Naturwissenschaft, als Instrument der Wahrheitsfindung, wird mit allen Mitteln unterdrückt; denn eine freie Naturwissenschaft, egal wie materialistisch sie orientiert sein mag, könnte trotzdem nirgendwo anders hinleiten, als eben zur Wahrheit. Die richtig verstandene physische Sinneserfahrung kann nämlich niemals in einem echten Widerspruch zur Wahrheit stehen! Dass es zu einem solchen richtigen Verständnis aber niemals komme, dafür sorgen die althergebrachten Autoritäten mit großer Voraussicht und Strenge.


Es wiederholt sich hierbei allerdings das alte Problem: was die neuen Autoritäten an Theorien behaupten, kann sehr oft ebenso niemand sehen, wie früher die Glaubensinhalte der Kirche. Wer also tatsächlich der naturwissenschaftlichen Methode folgen will, der muss sich allzu bald in einem unangenehmen Widerspruch zu den in Schulen, Universitäten und im Fernsehen predigenden Experten-Göttern wiederfinden. 


Selbst der neue Gott, die Materie, ist ja genauso unsichtbar, wie der alte Vatergott im Himmel: man kann zwar überall auf materielle Gegenstände hinweisen…aber auf die Materie selbst leider nicht! 


Was früher angeblich im unendlich Großen verborgen war, ist jetzt angeblich im unendlich Kleinen versteckt. Manche hoffen sogar heimlich darauf, den großen, allmächtigen Vatergott, dessen Vorstellung einem früher, nicht immer, aber doch des öfteren, ein beruhigendes Lebensgefühl vermitteln konnte, jetzt im Kleinen zu finden: als Quark im Teilchenbeschleuniger. 


Die siegreiche Phase der Naturwissenschaft ist also schon lange vorüber! - und man ist jetzt bereits mitten in der Endphase der neuen, unheiligen Inquisition. 


Die etwas Intelligenteren spüren hierbei allzu deutlich, dass ihnen die überzeugenden Argumente in allen Wissensbereichen, die sich ausschließlich auf die Naturwissenschaft stützen, auszugehen drohen, - und natürlich ganz besonders dort, wo gar keine echte Naturwissenschaft praktiziert wird! 


Man ist also wieder mal voll im Vollzugszwang der Zensur: keine der Meinungen, die der offiziellen Version der Wahrheit widersprechen, dürfen im öffentlichen Diskurs zugelassen werden - weil man weiss: man würde verlieren! Besonders genau weiss man das vor allem dann, wenn man sich voll bewusst ist, gelogen zu haben.
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